Hinduismus

Tat
und
Wirkung.

Die Vorstellungen von Karma und Samsara wurden etwa ab dem 6. Jh. v. Chr. in den Schriften nachgewiesen und bilden die Basis für den Hinduismus. Die Idee ist, den ewigen Kreislauf der Wiedergeburten, Samsara, zu überwinden. In den Upanishaden gelingt dies über die spirituelle Erkenntnis, dass die Individualseele Atman mit Brahman (Weltseele) in ihrem Wesenskern identisch sei.

Jeder Mensch hat demnach seinen eigenen Dharma (einerseits kosmisches, andererseits soziales Gesetz), den es zu erfüllen gilt, und die Erfüllung ist ausschlaggebend dafür, ob Taten gutes oder schlechtes Karma bewirken. Es gibt im Hinduismus einerseits den allgemein gültigen sadharanadharma, der die Pflichten eines jeden Individuums beinhaltet wie etwa Gewaltlosigkeit (ahimsa), Wahrhaftigkeit (satya), Geduld (ksanti), Selbstkontrolle (dama), Mildtätigkeit (danam), Gastfreundschaft (ahithi). Diese Tugenden gelten für alle Menschen gleichermaßen, jedoch gibt es keinen einheitlichen Kodex dafür. Der svahdharma dagegen, der die Pflichten der verschiedenen Gesellschaftsschichten vorschreibt, ist für jeweils eine bestimmte Gruppe maßgeblich. Demnach etwa ist der Dharma eines Kriegers (Kshatriya-Kaste), im Anlassfall Krieg zu zeigen und notfalls auch zu töten. Muss ein Krieger einen Feind töten, bewirkt dies möglicherweise kein schlechtes Karma, da er seinen Dharma, seine ihm auferlegte Aufgabe, erfüllt hat. Tötet jedoch jemand aus anderen, egoistischen Beweggründen, kann dies sehr wohl schlechtes Karma zur Folge haben. Die Verknüpfung der Karma- mit der Dharma-Vorstellung beinhaltet eine sehr starke ethisch-moralische Komponente. Die Theorie von Karma bietet u. a. auch eine Erklärung für das Rätsel von anscheinend unverschuldetem Leid und gesellschaftlicher Ungleichheit.

Zu der Frage, in welchem Zusammenhang Tat und Wirkung stehen, gibt es im Mahabharata mehrere Erklärungen. Eine weit verbreitete Überzeugung besteht darin, dass die Werke ihre Wirkung automatisch erzeugen. Es gibt jedoch auch differenzierte Darlegungen: Zwei Ursachen für die Bindung der Seele, nämlich Nichtwissen (avidya) und Begierde (lobha), bewirken, dass die Tätigkeit der Sinnesorgane Unruhe und Trübung der Erkenntnis verursacht. Dies verhindert die erlösende Einsicht. Die Werke heften sich an das Denkorgan (manas), stören die erlösende Erkenntnis und bedingen die Beschaffenheit der Verkörperungen (Mbh. 12).

Zu der Frage, wie sich die Früchte der Taten realisieren, gibt es mehrere Auffassungen:

1.

die Seele verlässt nach dem Tod den Körper und wird in einem neuen, durch Karma bedingten Leib neu geboren.

2.

Die Vergeltung findet teils im Jenseits, teils in der neuen Existenz statt.

 

3.

Gutes Karma kann eine zeitlich begrenzte Seligkeit im „Himmel“ erwirken, schlechtes Karma dagegen einen Aufenthalt in der „Hölle“, jedoch nicht als endgültiger Zustand, sondern z.B. im Wechsel mit der Tiergeburt.

Alle guten Werke können religiöse Verdienste (punya) schaffen, die Karma abbauen. Solche besonderen Verdienste erwarten sich Gläubige etwa von religiösen Riten, Fasten, Wallfahrten oder Geschenke an Brahmanen sowie allgemeine Mildtätigkeit (danam) und Tempelbauten.

Der Mensch ist dabei frei und für sein Karma unbedingt selbst verantwortlich. Aber obwohl Karma ein Gesetz von „Ursache und Wirkung“ bedeutet, vertrauen besonders Gläubige der Bhakti-Richtungen auch auf die bedingungslose Gnade Gottes, welche die Wirkung von Karma vernichten und den Menschen erretten kann.

Wichtig ist, dass selbst eine vordergründig „schlechte“ Tat eine gute Wirkung zur Folge haben kann, wenn die Beweggründe rein und ohne Selbstnutz waren. Die geschilderten Ansätze gehören zum Standpunkt der „Werktätigkeit“ (pravritti): Man tut etwas, um eine gute Wirkung zu erzielen. Die gegensätzliche Strömung besteht in der „Nichttätigkeit“ (nivritti). Hier besteht der Weg darin, sich aus der Welt zurückzuziehen. Als Ursache des leidvollen Zustands gilt der Lebensdurst, d. h. der Wille zum Leben, Wiedergeburt bringt nur eine neue vergängliche Existenz. Durch Werk würde man gebunden, durch Wissen (vidya) und Nichttätigkeit (nivritti) dagegen erlöst. Auf dem Verzicht aller auf Erfolg gerichteten Handlungen beruht das Ideal des Gleichmuts.

Beide Strömungen, pravritti (Werktätigkeit) und nivritti (Nichttätigkeit), sind im Mahabharata vertreten und werden in der Bhagavad Gita genannt. Dabei gibt Krishna in der Gita dem Yoga der Tat den Vorzug. So lautet die Antwort Krishnas auf die entsprechende Frage von Arjuna:

Vollzieh das notwend’ge Werk, denn Tun ist besser als nichts tun; selbst die Verrichtungen des Leibs auf einer Tätigkeit beruhn.
Ans Dasein bindet jedes Tun, das nicht geschieht aus Opferpflicht; vollbringe darum zwar ein Werk, doch hänge an demselben nicht.

(Bhagavad Gita 3. 8 – 9)

[Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Karma]